Meine ersten beiden Stationen auf der Avalon-Halbinsel waren die Ortschaft Placentia mit der alten französischen Festungsruine und natürlich das Seevogel-Schutzgebiet Cape St. Mary's.
Bei meinem Besuch in Glovertown wurde mir ein Abstecher nach Trinity wärmstens empfohlen, und so nahm ich auf dem Weg nach Süden 100 Kilometer Umweg über die Bonavista-Halbinsel
in Kauf. Am östlichen Ende der Halbinsel gibt es Sehenswertes für Hobby-Historiker und Vogelfreunde. Bis dorthin schaffte ich es diesmal allerdings nicht und begnügte mich mit einem Besuch in der verträumten Kleinstadt Trinity.
In dieser Siedlung fühlt man sich in eine englische Ortschaft aus den 1850er Jahren versetzt. Man kann zwischen den Häusern spazieren und erwartet quasi jederzeit, dass eine Kutsche um die Ecke biegt.
Als dann auch noch Nebel einsetzte, war die englische Illusion perfekt. Wer also auf dem Weg zu den Vogelfelsen am Ostende der Halbinsel ohnehin an Trinity vorbeikommt, sollte dort ruhig einen Zwischenstopp einlegen.
Das Thema Nebel begleitete mich auch auf dem nächsten Abschnitt der Reise. Mein Bett für die Nacht stand in einem Bed & Breakfast in Placentia an der gleichnamigen Bucht. Auf dem Weg
durchquerte ich dichten Wald, und als endlich das Wasser in Sicht kam, war gerade noch Zeit für ein paar Schnappschüsse, bevor dichter Küstennebel aufzog.
Mit Nebel muss man an der Küste zwar immer rechnen, in Placentia trug er aber auch ein wenig zum tristen Gesamteindruck bei. Die Ortschaft ist sauber und aufgeräumt, aber dort ist halt wenig los.
Mein B&B war diesmal auch nicht so toll: Obwohl das Zimmer sauber und das Bad modern eingerichtet war, wollte keine wohlige Stimmung aufkommen. Wenig Platz und nur schummriges Licht - das schuf im Zimmer eher die Atmosphäre einer Abstellkammer.
Anlass meines Besuches in Placentia war die Festungsanlage Castle Hill auf den Klippen oberhalb der Stadt. Die stammt aus der Zeit, als England und Frankreich um die Vorherrschaft in
der neuen Welt stritten. Für grosse militärische Operationen mangelte es damals beiden schlicht an Nachschub, denn Kriegsmaterial und Soldaten mussten ja immer erst aus Europa herangeschafft werden.
So kamen die Franzosen auf die Idee, an der fischreichen Placentia Bay einen Aussenposten zu installieren. Fischerei war damals ein lukratives Geschäft, und das heutige Placentia bot ausserdem einen steinigen Strand, wo man den Fisch schnell und einfach trocknen konnte, damit er auf dem Transport nach Europa nicht verfaulte.
Dieser Standortvorteil sprach sich herum und lockte bald Saisonarbeiter aus Frankreich an, von denen sich einige hier niederliessen. Und so begann die Besiedlung dieser Region Neufundlands.
Unweit von Placentia befindet sich am Cape St. Mary's ein sehenswertes kleines Vogelschutzgebiet. Der Weg dorthin ist aber ein Abenteuer für sich: Die Landstrasse #100 kann
man locker in die Hitliste der schlechtesten Strassen Kanadas aufnehmen. Da kurvt man kilometerlang um fussballgrosse und -tiefe Schlaglöcher, bevor man ein Schild "Vorsicht Schlaglöcher" passiert, und man weiss: Gleich wird's RICHTIG übel...
Angesichts dichten Nebels mit Sichtweiten unterhalb von 50 Metern fragte ich mich schon, ob man im Vogelschutzgebiet überhaupt etwas sehen würde. Diese Sorge nahmen mir die Wildhüter sofort. Klar kämen die Felsen und die Brandung bei Sonnenschein besser rüber, aber der Nebel sei auch kein Problem, weil man so dicht an die Seevögel-Kolonie heran käme. Uns so war es auch: Bis auf geschätzte 10 Meter kommt man stellenweise an die lautstarken Tölpel heran. Die Vögel stört das aber überhaupt nicht, die scheinen genau zu wissen, dass sie auf den Felsen
sicher sind. An Land wirken die Tölpel recht unbeholfen (daher auch der Name), aber bei starkem Wind erweisen sie sich als geschickte Flieger, die sich aus grosser Höhe zielsicher ins Meer stürzen, um bis zu 25 Meter unter der Wasseroberfläche Fische zu erjagen.
Die Vögel dabei zu beobachten, ist wirklich faszinierend. Da merkt man gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Ich verbrachte einen tollen Vormittag im Reservat, bevor ich mich auf den Weg nach Heart's Content machte.
Dort fand gerade eine Feierstunde statt, und darum geht es dann im nächsten Beitrag.
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