In der letzten Zeit lagen Licht und Schatten, Hitze und Kälte, Freud und Leid so dicht beisammen wie lange nicht mehr. Hier ist mein Rückblick auf bewegte zwei Wochen.
In Kanada können die Temperaturen zwischen Sommer und Winter bekanntlich ganz schön schwanken. Das verlangt Mensch und Material verständlicherweise einiges ab. So wie in
den letzten Wochen, als wir innerhalb von zwei Tagen eine Schwankung von 30 Grad erlebten.
Ausgerechnet am "Family Day" Feiertags-Wochenende hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, eine gar nicht so untypische Kanada-Erfahrung zu machen: Einen winterlichen Rohrbruch im Haus.
Mitten in der Nacht schrillte die Sirene, und alle Hausbewohner mussten sich bei eisiger Kälte im Freien versammeln, während die Feuerwehr das Gebäude evakuierte, weil das geplatzte Heisswasser-Rohr derart viel Dampf produzierte, dass es den Menschen nicht nur die Sicht, sondern auch den Atem nahm.
Dank des zügigen Handelns aller Beteiligten wurde niemand verletzt, mehrere Wohnungen wurden aber leider dennoch überflutet. Unser Wohnzimmer stand leider auch unter Wasser, aber mit einer unfreiwilligen Nachtschicht konnten wir durch Handarbeit und maschinelle Hilfe die Wohnung schnell wieder trocken legen. Insgesamt betrachtet hatten wir unfassbares Glück, dass wir die Sache beinahe unbeschadet überstanden haben.
Wenn in so einer Situation die Heizung ausgefallen und das Wasser in der Wohnung gefroren wäre, hätte man ja den Hauptgewinn gezogen. So richtig gefordert war die Heizung in diesem Winter allerdings nicht. Es war in Toronto überwiegend trocken bei durchgehend um die null Grad. Lediglich an wenigen ausgesuchten Tagen meldete sich der Winter mit drastischen
Temperatur-Einbrüchen zu Wort. Aber ohne Schnee macht Winter halt weniger Spass. Aber das sehen die Menschen in den traditionell schneereichen Regionen Kanada's vielleicht anders ;-)
Eine schwer beeindruckende Erfahrung war dieser Tage der Vortrag des CBC-Moderators Wab Kinew über die Kultur der kanadischen Ureinwohner und das Erbe der sogenannten "Residential
Schools". Hinter dieser unverfänglichen Bezeichnung verbirgt sich für viele kanadische Ureinwohner die Wurzel vieler Übel, mit denen sie heute leben müssen.
Seit dem 19. Jahrhundert wurden überall in Kanada Indianer-Kinder in Internatsschulen gepfercht. Das geschah oft auch gegen den Willen der Eltern, weil die staatlichen und kirchlichen Schulbetreiber den ursprünglichen Bildungsauftrag schnell beiseite legten. Stattdessen nutzen sie diese Schulen als Konvertierungs-Instrument, mit denen den "Wilden" das Indianersein für immer ausgetrieben werden könnte. Das führte dazu, dass heute lebende Indianer zum Teil in der sechsten und siebten Generation ohne Kontakt zu ihren Eltern aufwuchsen. Stattdessen waren nicht wenige in ihrer Kindheit und Jugend täglich Züchtigungen, Demütigungen und jeder vorstellbaren Art von Missbrauch ausgesetzt. Knapp vier Prozent der Indianerkinder überlebten
die "Wohltaten" der weissen Erziehung nicht. Die letzte dieser Schulen schloss erst 1997, und erst im letzten Jahr wurde dieses lange totgeschwiegene Thema von der Truth and Reconciliation Commission in die breite kanadische Öffentlichkeit getragen. Der Weg zur Versöhnung und Wiedergutmachung wird ein langer werden, aber es gibt ermutigende Anzeichen dafür, dass die neue kanadische Regierung es ernst damit meint.
Zum Glück gab es in der letzten Zeit nicht nur schwierige Tage. Bei einem Treffen mit Freunden in einem Brettspiel-Cafe konnte ich mal den Stress abschalten und einfach nur Spass haben.
Momentan läuft auch wieder die Gewinn-Aktion von Kanadas Imbiss-Kette Tim Hortons, bei der man den Rand der Kaffeebecher aufrollt, um festzustellen, ob dort Gewinnbenachrichtigungen zu finden.
Bis auf einen Gratis-Donut konnte ich da zwar nichts einstreichen, aber darüber war ich nicht traurig. Auf der Arbeit gab es sehr erfreuliche Nachrichten, und wir hatten trotz Stress genug Zeit, eine lang-gediente Mitarbeiterin zünftig in den wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden. Die Kollegen tafelten wieder unfassbar lecker auf, und selbst die langen Reden waren gut. Da flossen auch einige Tränen. Der inoffizielle Teil der Veranstaltung fand dann noch in einer Bar statt und zog sich, ehm, doch ganz schön lange hin.
Und warum auch nicht. Das ist eine durchaus angemessene Art, eine stressige Zeit ausklingen zu lassen, finde ich... ;-)
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